Isabell

Cześć!

Isabell war 2017/18 für ihren freiwilligen Friedensdienst in Oswiecim und hat im Zentrum für Dialog und Gebet gearbeitet. Hier berichtet sie von ihren Erlebnissen. 

Woran merkt man in Oswiecim, dass es Frühling wird? Als normaler Bürger der Stadt vermutlich daran, dass die Temperaturen den Minusbereich verlassen, es nicht mehr schon um 5 stockdunkel ist und sogar der letzte blinkende Tannenbaum aus dem Stadtbild verschwinden musste. Als Freiwillige zusätzlich durch eine Mail, die daran erinnert, dass seit dem letzten Rundbrief, den man im Januar geschrieben hat, schon wieder 3 Monate vergangen sind.

Drei Monate in denen hier etwas mehr passiert ist, als nur eine Änderung der Temperaturen und der Jahreszeit. Deshalb jetzt erst einmal einen Sprung zurück in den Winter, in dem der letzte Newsletter geendet hat, zum 27. Januar, dem Tag der Befreiung von Auschwitz. Schon Tage davor herrschte dafür im Zentrum für Dialog und Gebet der Ausnahmezustand, da dieses für die Ausrichtung der Feierlichkeiten mit dem staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau kooperiert. Viele Teilnehmende, darunter auch viele Überlebende, haben daher im Zentrum übernachtet, auch fanden dort im Vorfeld einige Treffen und Interviews statt, für die Journalisten aus allen Teilen der Welt, unter anderem aus den USA und China, angereist kamen.

Die Feier selber am 27. Januar bestand aus zwei offiziellen Teilen: einem im Stammlager am Mittag und einem in Auschwitz-Birkenau am Abend, an dem ich teilnehmen durfte. Im Gebäude der ehemaligen sogenannten „Zentralen Sauna“ in Birkenau, das früher zur Selektion und Registrierung von Häftlingen vor der Aufnahme in das Lager gedient hatte, wurden dazu verschiedene Reden gehalten, unter anderem vom polnischen Premierminister, der israelischen Botschafterin und dem russischen Botschafter. 

Besonders beeindruckt haben mich aber dabei die Reden von zwei ehemaligen Häftlingen, Maria Hörl und Bronisława Karakulska (geb. Horowitz, sie war eines der Kinder auf Schindlers Liste) und dem Direktor des staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau, Dr. Piotr M.A. Cywiński, in der er auf sehr intensive Weise darauf eingegangen ist, wie wenig die Menschheit heute anscheinend aus Auschwitz und der Geschichte gelernt hat.

Mit Frau Hörl konnte ich mich nach dem offiziellen Teil der Feierlichkeiten, beim Abendessen im Zentrum für Dialog und Gebet sogar noch etwas unterhalten, wobei sie sehr nett und mit viel Energie gesprochen nochmal betont hat, wie wichtig es ihr war, ihre Geschichte zu teilen, zumindest so wie ich sie mit meinem Polnisch verstanden habe. Das war natürlich ein ganz besonderes Gespräch für mich.

Nach den Reden folgte ein gemeinsames Gebet von Repräsentanten des Judentums, der evangelischen, orthodoxen und katholischen christlichen Kirche vor dem zentralen Denkmal für die Opfer von Auschwitz und Birkenau. Den Abschluss der Gedenkfeier bildete schließlich das Aufstellen von Kerzen ebendort, so dass am Ende ein Lichtermeer in der nebeligen Nacht entstand, was ein sehr ergreifendes Bild war.

Danach, als wieder etwas Entspannung auf der Arbeit eingekehrt war, stand im Grunde auch schon das Zwischenseminar von pax christi in Berlin an. Ich habe die Gelegenheit genutzt und vorher Hanna und Johannes in Kreisau besucht, das für mich im Grunde auf der Wegstrecke lag. Von dort aus sind wir einen Tag nach Breslau gefahren und die beiden waren so nett, mir die wirklich sehr schöne Stadt mit allen Sehenswürdigkeiten und besonderen Ecken zu zeigen. Viel besser, als jeder Touriguide es je hinbekommen hätte!

Das Seminar in Berlin war eine wirklich tolle Woche und hat mir einige neue Denkanstöße beschert, wobei es natürlich am besten war, alle anderen wieder zu treffen, mehr über ihre Projekte und Einsatzländer zu hören und natürlich auch zu erfahren, wie es ihnen dabei geht und sich über die Erfahrungen im Dienst auszutauschen. Ich denke, ich kann ehrlich sagen, dass es dort kein einziges Gespräch gab, bei dem ich mich in irgendeiner Form gelangweilt habe.

Wieder in Oswiecim und zurück im Arbeitsalltag durfte ich neben der üblichen Arbeit von Programmplanung und Gruppenbetreuung ein Projekt für die Bildungsabteilung des Zentrums für Dialog und Gebet übernehmen, in dem es um das ehemalige Interessengebiet Auschwitz und in diesem noch stehende, authentische aber nahezu nicht bekannte Gebäude geht. Dazu gehören unter anderem das ehemalige SS-Stabsgebäude, das heute eine Hochschule ist, oder die „Schutzhaftlagererweiterung“, eine, wie der Name sagt, 1942 gebaute Erweiterung zum Stammlager Auschwitz I, die heute ganz normale Wohnungen beherbergt. Dazu stelle ich nun Informationen zusammen, um diese für Besucher des Zentrums in Form von einer Führung oder Broschüre zugänglich zu machen. Dabei habe ich viele Sachen entdeckt die ich, obwohl ich jetzt schon über ein halbes Jahr in Oswiecim lebe, noch nicht über die Umgebung hier wusste, weshalb die Recherche dazu sehr interessant für mich ist. Auch verdeutlicht sie nochmal, wie umfassend, bis ins Detail geplant und dabei trotzdem größenwahnsinnig die Pläne der Nationalsozialisten für „Auschwitz“ waren. Wie ich bereits in den vorherigen Rundbriefen geschrieben habe, habe ich zudem hier immer wieder die Möglichkeit, Veranstaltungen zu besuchen, die über den eigentlichen Rahmen meiner Arbeit als Freiwillige in Oswiecim hinausgehen. So konnte ich am „Kulturpolitischen Salon” des deutschen Generalkonsulates in Krakau teilnehmen, der in ebendiesem regelmäßig zu unterschiedlichen Themen stattfindet. Dieses Mal stand er unter dem Titel „Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“, zu dem Autoren aus Polen, Deutschland und Syrien Texte vorlasen und diskutierten. Dies war nicht nur aufgrund der interessanten Beiträge und Persönlichkeiten, die anwesend waren, etwas Besonderes, sondern mich hat allein schon die Tatsache an sich sehr beeindruckt, dass solche Treffen, bei denen ein Dialog auf intellektueller Ebene zwischen Deutschen und Polen im Zentrum steht und alle sich als gleichrangige Partner über Kunst, Kultur und Politik austauschen, möglich sind. Zwar klingt das erst einmal wie etwas, das selbstverständlich sein sollte, allerdings hat die Geschichte oft genug gezeigt, dass es das nicht ist – vor weniger als 80 Jahren wurde von den Nationalsozialisten noch auf brutale Weise versucht, die polnische Kultur auszulöschen.