Theresa

Theresa in Palästina/Israel

Theresa war 2017/18 für ihren freiwilligen Friedensdienst in Bethlehem und Jerusalem und hat im Arab Educational Institute und im Lateinischen Patriarchat gearbeitet. Hier berichtet sie von ihren Erlebnissen. 

Madbasseh – „Guten Tag. Ich heiße Mohammad. Ich bin 24 Jahre alt. Ich habe vier Schwestern und einen Bruder. Ich wohne in Aida Camp. Ich komme aus Palästina. Schön Sie kennen zu lernen.“ – Mohammad ist einer meiner Schüler im Institut. Er möchte gerne in Deutschland Ingenieurwesen studieren, hoffentlich auf Deutsch, vielleicht auch auf Englisch. Er will Deutsch jedoch nicht nur für die Uni lernen, sondern weil er deutsche Freunde haben möchte –und dann muss er eben Deutsch lernen, er hätte „auch keine Lust mit seinen Freunden immer auf Englisch zu sprechen.“ Ich bin zwar unausgebildet, aber Deutsch sprechen kann ich und nachdem ich mich ein wenig damit beschäftigt habe, habe ich auch gelernt, es anderen beizubringen. So lernen derzeit zehn 14-37jährige Männer und Frauen in 2-4er Gruppen bei mir Deutsch. Einige lernen für das Studium im Ausland, andere für den Urlaub in Berlin oder einfach weil sie an der deutschen Kultur interessiert sind. Auch in meinen Englischkursen merke ich mittlerweile einen richtigen Fortschritt. Unsere Medleys in der Band aus arabisch-europäischer Musik hört sich mittlerweile ganz ordentlich an, meine Debating Society bereitet sich bereits auf die zweite öffentliche Debatte vor, die neue Website des AEI steht, die Räumlichkeiten des AEI sind nach einem kleinen Makeover wenigstens etwas ansprechender geworden und ich habe die Verantwortung bekommen, für 50 Kinder selbstständig das Programm für die Summerschool 2018 zu organisieren. Meine Arbeitsstelle ist zu meinem Zuhause geworden, ich korrigiere Vokabeltests, schreibe Musik um, streiche am Wochenende die Wände meines Klassenraums oder gehe joggen, um mir Inspiration für die nächste Gruppenarbeit zu suchen. Darunter leiden derzeit leider meine Freunde, Sport und Ausgehzeiten – aber das ist für eine Zeit lang ok, denn dafür bin ich ein Stück weit hier.

Das klingt nun so als würde ich durchgängig arbeiten, was zum Glück nicht stimmt. Im März hatte ich ganz viel Besuch von Freunden aus Deutschland und Amerika, mit welchen ich das ganze Land bereist habe und ich vor allem noch einmal mit mehr Israelis in Kontakt kam. Durch Couchsurfing und Hitchhiking, was beides in Israel sehr verbreitete ist, hatten wir nicht nur eine sehr billige Reise, sondern kamen auch mit vielen Einheimischen ins Gespräch, weswegen ich mittlerweile auch in Hebräisch erste Grundkenntnisse habe. Dabei muss ich immer wieder abwägen, ob ich der Person ehrlich sage, dass ich in Bethlehem wohne und arbeite oder eher von meinem Job in Jerusalem erzähle, um Diskussionen oder sogar Schwierigkeiten für meine Aufenthaltsgenehmigung hier aus dem Weg zu gehen. Häufig habe ich jedoch gesagt, dass ich in der Westbank lebe, wobei ich auf überraschend viel Begeisterung und Fragen gestoßen bin. Ein circa 30-jähriger Mann lebt beispielweise sein Leben lang in Jerusalem und war noch nie in der Westbank, obwohl diese nur 15 Fahrminuten entfernt ist. Er wollte Bilder sehen, hat nach meinem Alltag und den Menschen hier gefragt. Ich bin gespannt, ob einer von meinen neuen israelischen Freunden meine Einladung nach Bethlehem mal annimmt und wirklich „auf die andere Seite“ kommt, um sich die Situation hier mal selber anzusehen, als nur den Medien zu glauben. Die meisten haben allerdings Angst, entweder vor Problemen mit den Soldaten an der Grenze, da es den jüdischen Israelis nicht gestattet ist, die A-Zone der Westbank zu betreten, oder sogar, dass sie hier von Einheimischen angegriffen werden. Ich wüsste nicht, wie die Palästinenser wirklich reagieren würden, wenn ein Jude offensichtlich durch die Stadt laufen würde. Aber da keiner von meinen neuen Bekannten Kippa trägt, würden sie nicht auffallen und da sie bei mir unterkommen könnten, würden sie auch in keinem Hotel einen Ausweis hinterlegen müssen. Wir werden sehen, falls es dazu kommen sollte. Zumindest bemühe ich mich derzeit sehr darum, auch Israel etwas besser kennen zu lernen. Gemeinsam mit Freunden habe ich am Strand in Netanya und in der Negev-Wüste im Süden geschlafen, war noch einmal in Haifa und Akko und bin am Toten Meer und dem Galilee-See gewandert. Man kann wirklich sagen, dass man fünf Jahre in diesem Land leben könnte und noch immer nicht alles Sehenswertes besucht hat – aber ich gebe mir alle Mühe. Auch Jerusalem und Tel Aviv, Städte die vergleichsweise bei mir in der Nähe sind, erkunde ich an Wochenendtrips noch weiter, besuche Museen oder schlendere einfach durch die Stadt.

Sogar in Bethlehem lerne ich nach wie vor neue Menschen und Ecken kennen, bin häufig bei den Familien meiner Schüler zum Essen eingeladen oder bin bei Freunden zu Hause. Orthodoxes Ostern habe ich zum Beispiel mit meiner besten Freundin aus Beit Sahour und ihrer ganzen Großfamilie gefeiert, die mit mir umgegangen sind, als würde ich schon immer dazu gehören (glücklicherweise ist mein Arabisch mittlerweile auch gut genug, um an den lautstarken und enthusiastischen Gesprächen teilzunehmen). Katholisches Ostern habe ich eher zufällig, da ich am Ostersonntag morgens um 4 Uhr meinen letzten Gast an die Busstation nach Jerusalem gebracht habe, in der Messe um 6 Uhr in der Grabeskirche verbracht. Die Stimmung war mir ehrlich gesagt etwas fremd und mystisch, der Sonnenaufgang in Jerusalem allerdings wunderschön. Schon in der Woche zuvor habe ich den Palmsonntag, also Jesus Einzug in die Altstadt in Jerusalem mitgefeiert und habe an der stundenlangen Prozession von Kirchen aus dem Heiligen Land und Touristen aus der ganzen Welt teilgenommen. Dabei hielten sie häufig stolz die Fahnen ihrer Herkunftsländer in der Hand. Natürlich gab es auch palästinensische Christen, die an der Prozession teilnahmen und welche letztendlich leider unter Gewaltausübung gezwungen wurden, ihre Fahnen einzustecken. Politik ist hier wirklich jederzeit überall.