Jule

Akwaaba in meinem Ghana-Leben

Ich bin Jule und war 2018/19 mit der Aktion Lichtblicke Ghana e.V. in Ashaiman und genau dahin möchte ich euch mitnehmen. Vor über zwei Jahren begann meine Reise nach Ghana mit einem ersten kleinen Schritt, danach sind unzählig viele weitere Schritte gefolgt, wodurch mein Jahr in Ghana zu der besten Zeit meines Lebens wurde. Wenn ich die Schritte jetzt rückwärts erzähle, klingen sie alle wahnsinnig einfach und leicht, aber als ich den Weg vorwärts ging, war gar nicht immer alles leicht und ich stand öfter mal an einer Kreuzung, bei der ich über den nächsten Schritt etwas länger nachdenken musste.

Richtig begonnen hat meine Reise im September 2018. Mit vielen guten Wünschen im Gepäck flog ich gemeinsam mit meinen 3 Mitfreiwilligen nach Ghana. Gemeinsam starteten wir in ein Abenteuer, in dem erstmal alles neu war und vieles anders funktionierte als in Deutschland.

Ankommen in Ghana

In Ashaiman ist immer überall viel los und an den trubelig, bunten Alltag musste ich mich erst einmal gewöhnen. Mein neuer Weckruf am Morgen wurde ziemlich schnell der Ruf des Muezzins, von der nahegelegenen Moschee, zum Gebet, etwas das mir hier in Deutschland auch heute noch manchmal fehlt.

Nach einigen Tagen schon wirkte der Alltag der Menschen um mich herum viel selbstverständlicher und ich begann in all dem Chaos ein System zu erkennen. Ganz langsam lernte ich, wie was funktionierte, zum Beispiel wie man den Strom über ein Prepaid System kauft, wie man Wasser aus einem Plastikbeutel trinkt und noch vieles mehr. Nach und nach erkundeten wir erst unsere Nachbarschaft und dann immer mehr Teile von Ashaiman. Bald schon kannten wir den Weg zu unserem Arbeitsplatz im FCP und diverse Shortcuts dorthin. Im FCP fand dann auch unsere Cultural Class mit Senior Peter statt, der uns nicht nur die Sitten und Gebräuche Ghanas näherbrachte, sondern auch Twi, eine von etwa 70 lokalen Sprachen in Ghana. Das erste Mal als ich auf Twi auf dem Markt einkaufen war, war zwar kompliziert und kostete mich einiges an Mut, aber das Strahlen der Verkäuferin über meine Twi Brocken war so ein großes Lob, dass es mich motivierte, es immer wieder zu versuchen. Zum Glück fand ich in einem Laden in unserer Nachbarschaft, die liebe „Grandma“, die von da an immer wieder ein bisschen Twi mit mir plauderte und wenn ich gar nichts mehr verstand, ins Englische wechselte.     

Komplizierter als alles andere erschiene mir das Fahren mit einem Trotro, das typische Fortbewegungsmittel in Ghana. Trotros sind kleine Minibusse, in die so viele Sitze wie möglich hineingebaut wurden, beim Ein- oder Aussteigen muss dann häufig ein Teil der anderen Mitfahrenden mit aus- und wieder einsteigen. Um unseren zweiten Arbeitsplatz, das WEM-Centre, zu erreichen fuhr ich am Ende alle zwei Wochen Trotro und es war das Alltäglichste der Welt, aber am Anfang war jede Reise mit der Aufregung verbunden, ob ich wirklich ans Ziel komme und der Fahrer auch meinen „Busstop“ Ruf hört und mich dann an der richtigen Stelle aussteigen lässt.

Arbeiten in Ghana

Der September, als Eingewöhungszeit, war wahnsinnig schnell vorbei und damit begann die Arbeitszeit, ab sofort lebten wir nicht mehr dauerhaft zu viert im Volo-Haus, sondern rotierten abwechselnd im zwei Wochentakt zwischen dem WEM und FCP. Zum Glück waren wir nicht die einzigen Neulinge in der Rays of Hope Family, gemeinsam mit uns kamen neue Kinder und Jugendliche ins Projekt, die genau wie wir den Alltag erst einmal kennen lernen mussten. Die neuen Beneficiaries besuchten die Vorschule im FCP und unsere Aufgabe war es ihnen die Grundlagen in Englisch und Mathe zu vermitteln, gar nicht so einfach, da ein Teil der Kids gar kein Englisch sprach. Im Laufe der Zeit habe ich verschiedene Vorschulklassen im FCP unterrichtet und jede stellte mich vor eine neue Herausforderung.

Besonders viel Zeit durfte ich jedoch mit Hanatu verbringen, einer Achtjährigen, die am Anfang keine einzige Sprache sprach, die unsere Mitarbeiter*innen kannten. Hanatu ist ein wahrer Wirbelwind der mich manche Nerven gekostet hat und mich manchmal an den Rand der Verzweiflung getrieben hat, die durch ihre ungestüme, schmeichelnde Art, aber auch ziemlich vieles direkt wieder gut gemacht hat.

Nie vergessen werde ich wie wir gemeinsam gelernt haben und sie für jedes richtige Antwort ein Stück Banane essen durfte, als kleiner Witzbold hat sie jedoch jedes Mal, wenn ich nicht hingeguckt habe ein Stück Banane genascht und mir dann erzählt, dass da gerade ein Affe war, der ihre Banane gegessen hat. Als ich angefangen habe das Spiel mit zu spielen und ihre eine neue Banane geben wollte, hat sie mich angeguckt als wäre ich doof und mich ausgelacht, weil es in Ashaiman selbst doch gar keine Affen gibt. Da war sie mir mal wieder einen Schritt voraus.

Am Nachmittag kamen dann die älteren Projektkinder zur Hausaufgabenbetreuung ins FCP, die immer mal wieder austesteten, wie weit sie mit uns gehen können. Während der Hausaufgabenbetreuung lernten dann nicht nur die Kids etwas Neues, sondern auch ich lernte viel dazu und frischte meine Französischkenntnisse wieder auf.

Wenn es dann abends nach Hause ins Volo-Haus ging, gab es jedes Mal ein großes Rätselraten, was Auntie Maggi, unsere Köchin, wohl wieder Leckeres für uns gekocht haben könnte. Der erste Blick Zuhause ging dann in den Backofen.

Wenn dann meine zwei Woche im FCP um waren, hieß es Tasche packen und umziehen ins WEM. Mit dem Trotro ging es dann zwei Stunden lang über die Dörfer nach Ayikuma, das ein wahrer Ruhepol zu Ashaiman war. Im WEM wurde dann die Tasche ausgepackt und kurze Zeit später kamen die Kids von der Schule zurück und begrüßten einen freudestrahlend. Dann begann für zwei Wochen das Leben im WEM-Centre, welches ganz anders war, als das chaotische Leben in Ashaiman. Morgens um 5Uhr fing mein Tag an, nach dem gemeinsamen Frühstück und wenn jedes Kind mit dem Mittagessen für die Schulpause ausgerüstet war, kam meine erste Aufgabe des Tages. Jedes Kind bekam seine Wasserportion für die Schule, hierbei versuchten so manche Kinder mich auszutricksen und sich ein zusätzliches Waser zu stibitzen, doch nach einiger Zeit kannte ich meine „Spezialisten“. Während die Kids am Morgen in der Schule waren, half ich bei anfallenden Arbeiten aus oder hatte einfach mal etwas Zeit für mich, am Nachmittag fing dann das Spektakel um die Hausaufgaben an, das war mindestens genauso trubelig, wie die Straßen Ashaimans. Waren die Aufgaben erledigt und alle Kinder mit den notwendigen Bleistiften, Radiergummis, Anspitzern oder Heften ausgestattet, war es häufig auch schon Zeit fürs Abendbrot.

Und dann, ja dann fing nach zwei Wochen im WEM wieder alles von vorne im FCP an. Nach kurzer Zeit war ich eine wahre Meisterin im Tasche packen.

Freizeit, Wochenende, Sonnenschein

Auch wenn die Arbeit mein Leben in Ghana schon ziemlich weit ausgefüllt hat und ich aus Liebe zu den Kids meine Freizeit so manches Mal für das Projekt genutzt habe, hatte ich auch Zeit für Freunde, ein Hobby und zum Reisen.

Fast jeden Sonntagvormittag habe ich in der Kirche verbracht, so häufig war ich davor nie in der Kirche und bin es auch nach dem Jahr nicht mehr gewesen. Vor allem dauerte bisher kein einziger deutscher Gottesdienst, den ich erlebt habe, so lange wie eine Messe in Ghana. Während der Gottesdient am Anfang des Jahres eher eine Pflicht für mich war, so war er am Ende etwas, das fest zu meiner Woche dazu gehörte und ein Zeitraum in dem ich total viel Zeit zum Nachdenken, aber auch Genießen hatte, die Musik war einfach wunderschön. Nach ungefähr der Hälfte meines Jahres fing ich an im Kirchenchor mit zu singen, neben den Chorproben, die von da an mein Leben bereicherten, bereicherten vor allem die neuen Freunde, die ich im Chor fand mein Leben. Die Chorgemeinschaft, die mich mit so offenen Armen aufgenommen hat, gab mir die Chance viel mehr Einblicke in das kulturelle Leben in Ghana zu gewinnen und ich erlebte mir ihr so manch ein Abenteuer.

Aber vor allem gewann ich hier Freunde fürs Leben!

Einen Teil meiner Zeit in Ghana habe ich auch mit dem Reisen verbracht und mir verschiedene Ecken Ghanas angeguckt. Am Ende war ich jedoch so sehr mit Ashaiman, dem Projekt und meinen Freunden verbunden, dass ich gar keine anderen Ecken Ghanas mehr entdecken wollte und jede freie Minute in Ashaiman genossen habe.

Vielleicht könnt ihr jetzt nachvollziehen, dass sich jeder einzelne Schritt meiner Reise gelohnt hat und ich nicht einfach nur eine Reise gemeistert, sondern auch ein zweites Zuhause gewonnen habe. Mein Zuhause in Ghana ist zwar gerade im Stand-by-Modus, aber ich weiß, dass dort immer ein Platz für mich frei ist.