Jolina

Jolina: Rückkehrerin aus Sambia

Nur noch kurz die Welt retten – Mein Freiwilligendienst in Sambia
Nachdem ich nun seit ungefähr drei Monaten wieder in Deutschland bin – zurückgekehrt aus Sambia mit einem Koffer voller Fotos, Tagebucheinträge und Erinnerungen in meinem Kopf – habe ich manchmal das Gefühl in zwei Parallelwelten zu sein.

Auf der einen Seite hat nach einem entspannten Sommerurlaub und einigen Rückkehrer-Seminaren nun mein Studienalltag begonnen. Ganz schön ungewohnt und anstrengend, wieder so viel zu lernen. Aber auch aufregend – eine neue Stadt, ein neuer Alltag, neue Freunde und ganz viel zu entdecken.

Auf der anderen Seite erinnern mich jeden Tag Whatsapp- und Facebook-Nachrichten an meine sambischen Freunde und an meine Familie. Ich liebe es, kleine Teile aus dem Leben in Sambia mitzubekommen, wo ich doch vor kurzem erst Teil davon war. Oft wünsche ich mir mehr Kontakt, vielleicht Bilder von den Babys, die ich so in mein Herz geschlossen habe, oder den aktuellen Gossip aus meinem Viertel.

Was mich momentan sehr beschäftigt, ist das Wissen, dass die sambische Wirtschaft gerade nicht unbedingt glänzt. Von Freunden aus dem Land höre ich nach der typischen Begrüßungsfloskel „How are you?“ immer öfter nicht das erwartete „Am good.“, sondern Sätze aus denen schnell klar wird: Die Lebensmittel werden teurer, manche haben ihre Arbeit verloren, die sambische Politik zieht die Wirtschaft runter. Aber was genau passiert denn gerade in Sambia? Ich persönlich finde es sehr schwer nachzuvollziehen, was wirklich geschieht, da so wenige Nachrichtensender überhaupt über die Situation Sambias berichten, und die, die es tun, oftmals nicht sehr objektiv.

Ein anderes Thema, das mir besonders als Rückkehrer in Deutschland am Herzen liegt, ist die Auseinandersetzung mit verschiedenen Arten von Freiwilligendiensten und dem Bild, welches gerade durch uns Rückkehrer an die Öffentlichkeit gebracht wird. Im Vordergrund steht dabei für mich die Frage: Machen Freiwillige überhaupt Sinn? Und wenn ja, wem helfen wir mit unserem Einsatz wirklich?

Um eines vorweg zu nehmen: Ja, ich finde Freiwillige machen in jedem Fall Sinn! Natürlich habe ich unglaublich viel gelernt und mitgenommen aus meinem Jahr in Sambia, zum Beispiel mehr Bewusstsein für mich selbst und Verständnis für Menschen aus anderen Kulturen in Deutschland, die sich vielleicht schwer tun damit, sich in unserem Land einzuleben und zu integrieren. Ich hoffe, dass ich auch Menschen in Sambia durch Gespräche, meine Arbeit und unser Zusammenleben auf die ein oder andere Art und Weise bereichert habe.

Gerade als Rückkehrer spreche ich aber oft mit Menschen in meinem Alter, die auch schon im Ausland waren oder noch vorhaben, nach dem Abitur ein bisschen die Welt zu bereisen. Ein total verständlicher Wunsch, auch ich liebe das Reisen! Wovon ich mich aber immer mehr distanziere, ist der Gedanke, nach dem Abi „mal eben kurz die Welt zu retten“, indem man für zwei Monate in irgendein afrikanisches Land reist und den wirklich armen Menschen dort Häuser baut – überspitzt gesagt. Zum Glück haben wir im EWE von Anfang an die Idee einer sambisch-deutschen Freundschaft auf Augenhöhe gehabt, die Idee von einem interkulturellen Austausch, für beide Seiten ein Blick über den eigenen Tellerrand. Es gibt aber trotzdem genug andere Organisationen, die jungen Menschen für Tausende von Euro ein Reisepaket anbieten aus Entwicklungsarbeit und Abenteuer. Weder an der Intention zu helfen, noch am Spaß am Abenteuer ist etwas Verwerfliches. Aber den Gedanken, man könne Menschen in Entwicklungsländern langfristig helfen, indem man für ein wenig Geld Häuser oder Sanitäranlagen baut, finde ich nicht sehr einleuchtend. Wenn es uns darum gehen würde zu helfen, wäre dann das Geld, welches wir für unsere eigenen Flüge und womöglich noch weitere Reisekosten beim Weltenbummeln ausgäben, nicht irgendwie an der falschen Stelle investiert? Was bringt es den Einheimischen, wenn die Weißen kommen, für zwei  Wochen ein bisschen bauen und damit wichtige Arbeitsplätze nehmen, denn die Einheimischen bauen schließlich seit Jahrhunderten ihre Häuser selber? Und danach fliegen sie wieder weg, mit einem reinen Gewissen, lassen interessante Menschen zurück, mit denen man über so viel reden könnte, und erzählen in der Heimat, wie sie die Welt verbessert haben? Noch viel gravierender als solche Entwicklungsprojekte sind für mich Organisationen, die kurze Freiwilligendienste beispielsweise in Kinderheimen an exotischen Orten anbieten. Die Kinder sind wohl diejenigen, die am wenigsten von diesen Kurzzeitfreiwilligen haben. Gerade eine Beziehung aufgebaut, Vertrauen zu einer neuen Person gefasst, da muss der Freiwillige schon wieder gehen und wird durch einen neuen ausgetauscht. Profit schlagen tun daraus vor allem die Organisationen, die sich teuer bezahlen lassen, und im besten Fall noch die Freiwilligen selbst, die immerhin etwas von der Welt gesehen haben, was sie vorher nur durch die Medien kannten.

Ich finde es unglaublich wichtig, mit Menschen aus meinem Umkreis hier in Deutschland zu sprechen und ihnen zu verdeutlichen, dass es bei einem Freiwilligendienst im Prinzip um nichts anderes geht als bei einem Schüleraustausch auch. Eine Erweiterung des eigenen Horizonts, der Austausch mit Menschen anderer Kulturen und Länder, das Aufeinander zugehen und Sich-Respektieren, und schließlich voneinander zu lernen. Ein Geben und Nehmen also, ohne dass sich die eine Seite über die andere stellt. Besonders in unserer aktuellen Situation auch in Europa, in der wir uns immer mehr mit Menschen anderer Länder beschäftigen, die bei uns Asyl suchen, sind Offenheit und Toleranz zwei wichtige Punkte auf dem Weg zu einer gelingenden Integration. Ein Freiwilligendienst fördert Werte wie diese in jedem Fall, immer und auf beiden Seiten. Deshalb hoffe ich sehr, dass der EWE auch in Zukunft Freiwillige nach Sambia und nach Deutschland entsenden kann, und dass die Idee unseres Vereins noch viel mehr in der Öffentlichkeit präsentiert und diskutiert werden kann. Und vielleicht können so am Ende alle Bürger unsere Welt ein bisschen verbessern, indem wir lernen, uns gegenseitig zuzuhören und uns zu verstehen. Das würde ich mir wünschen.

Jolina Bilstein